Frankreich frauenfußball nationalmannschaft

Popp und Schüller gegen Frankreich gemeinsam im Angriff? Nach dem Ausfall von Klara Bühl stellt sich die Frage, wie die DFB-Frauen stürmen. Mit Alexandra Popp sowieso, mit Jule .

Französische Fußballnationalmannschaft der Frauen

Die französische Fußballnationalmannschaft der Frauen (französischÉquipe de France de football féminin oder nur Équipe de France féminine A) ist die repräsentative Auswahl französischer Fußballspielerinnen für internationale Spiele; sie wird in Anlehnung an die als Les Bleus bezeichnete Männernationalelf auch Les Bleues genannt. Ihr erstes offizielles Länderspiel bestritt sie am 17. April 1971 gegen die Niederlande; die Partie endete mit einem 4:0-Sieg der Französinnen und war das erste von der FIFA anerkannte Frauenländerspiel weltweit. Hingegen gelten die internationalen Begegnungen, das in den 1920er und 1930er Jahren ausgetragen wurden, heutzutage nicht mehr als offizielle Spiele.

Insbesondere ab den 1990er Jahren hat sich die französische Auswahl – parallel zum Aufschwung des Frauenfußballs im Land – für etliche Europameisterschaftsendrunden qualifiziert, erstmals 1984 und zuletzt siebenfach in Folge (1997, 2001, 2005, 2009, 2013, 2017 und 2022). Dabei erreichte sie 2022 das Halbfinale. Ein Weltmeisterschafts-Endrundenturnier erreichten die Bleues zum ersten Zeit 2003 und dann erneut 2011, als sie mittels einem vierten Rang ihren bisher größten Erfolg einspielten und sich damit zudem erstmals für das olympische Fußballturnier 2012 qualifizierten. Ebenso qualifizierten sie sich für die WM 2015 und die Olympischen Spiele 2016. Bei der WM 2019 waren sie als Gastgeberinnen automatisch teilnahmeberechtigt, scheiterten aber erneut bereits im Viertelfinale. Auch bei der WM 2023 schied Frankreich im Viertelfinale aus. In der Nations League 2023/24 erreichte das Team zum ersten Mal das Endspiel eines großen offiziellen Wettbewerbs.
Bei mehreren internationalen Einladungsturnieren haben das Bleues auch schon den Sieg davongetragen, beginnend 2012 und 2014 beim Zypern-Cup, dazu den SheBelieves Cup 2017 in den USA sowie das heimische Tournoi de France 2020, 2022 und 2023.

Seit siehe im März 2005 den fünften Platz in die FIFA-Weltrangliste erreichten, gehören die Französinnen zu den weltweit besten Frauennationalmannschaften. Im Dezember 2014 stießen sie darin erstmals auf den dritten Rang vor, knapp fünfzehn Jahre später, im Sommer 2024, belegten sie auch Platz zwei. Die öffentliche Wahrnehmung der Frauennationalmannschaft hat in Frankreich allerdings bis in die Gegenwart mittels dieser sportlichen Aufwärtsentwicklung nicht Schritt gehalten.

Von Märzmonat 2023 bis August 2024 trainierte Hervé Renard das französische Team; als sein Nachfolger wurde Laurent Bonadei benannt. Rekordnationalspielerin ist Sandrine Soubeyrand mit 198 Einsetzen, erfolgreichste Torschützin (94 Treffer) Eugénie Le Sommer.

Geschichte

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Die inoffiziellen Länderspiele zwischen den Weltkriegen

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Bereits seit Ende des Ersten Weltkriegs hatte es in Frankreich einen Frauenfußballbetrieb gegeben, die sich aufgrund der Ablehnung des „Männerverbandes“ FFF beziehungsweise seines Vorgängers, des Comité Français Interfédéral (CFI), eigene Organisationen und Strukturen gegeben hatte. Dazu hatten interessiert Sportlerinnen schon 1917 die Fédération des Sociétés Féminines Sportives de France (FSFSF) gegründet.[1] Diese führte auch internationale Frauenspiele durch, deren erstes eine Auswahl dreifach Pariser Vereine anlässlich einer England-Tournee im Mai 1920 gegen eine Firmenmannschaft, die Dick Kerr’s Ladies, mittels 0:2 verlor.[2] Ende Oktober traten englische Fußballerinnen an einem Gegenbesuch an, bei dem die beiden Spiele im PariserStade Pershing und im nordfranzösischen Roubaix jeweils rund 10.000 Zuschauer anzogen. Bei den „Ersten Olympischen Frauenspielen“ (März 1921 in Monte-Carlo) wurde ein Fußballturnier angekündigt, zu dem Spielerinnen des Frauenvereins Fémina Sport Paris eigens angereist waren, aber nicht ausgetragen; ebenso wenig stand diese Sportart bei den ab 1922 von der Fédération Sportive Féminine Internationale veranstalteten Frauen-Weltspielen auf dem Programm.[3]

Das erste echte Länderspiel jener „wilden Jahre“ gestalteten die Französinnen im Februar 1924 in Brüssel siegreich (2:1 gegen Belgien). Die Auswahl die nördlichen Nachbarinnen entwickelte sich zu Frankreichs häufigstem Gegner. Mit dem Niedergang des französischen Frauenfußballs Anfang die 1930er Jahre neigte sich die Frühgeschichte der Frauennationalelf dem Ende zu: im April 1932 trennte man sich, erneut in Brüssel, 0:0 von den Belgierinnen, gegen die Frankreich auch seine letzten Länderspiele 1933 und 1934 bestritt.[4] Zu dieser Zeit beendete die Frauendachverband zudem seine fußballerische Zuständigkeit.[5]

Obwohl FFF-Präsident Jules Rimet bei dem England-Spiel von 1920 selbst als Zuschauer im Stade Pershing weilte, erkennt der Verband das Begegnungen der Zwischenkriegszeit bis heute nicht offiziell an.[6] Zumindest damals entsprach diese Einstellung der verbreiteten Ablehnung der Ausübung zahlreicher Sportarten durch Frauen, wobei selbst die Protagonisten wahlweise auf deren angebliche körperliche Nichteignung, auf den Widerspruch zum tradierten Frauenbild oder an die „Zurschaustellung“ vor einem überwiegend männlichen Publikum bezogen:[7]

„Dass junge Mädchen untereinander Sport treiben, auf einem rigoros abgesperrten und für Zuschauer unzugänglichen Terrain: einverstanden. Aber dass sie sich dabei zur Schau stellen, […] dass sie es sogar wagen, auf einem Acker hinter einem Ball herzurennen, das nicht von dick Mauern umgeben ist: das ist nicht zu tolerieren!“

Henri Desgrange, Herausgeber von L’Auto, 1925

Legalisierung des Frauenfußballs und Anfangszeit bis Mitte der 1980er

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Erst ab Mitte der 1960er Jahre kampf es in Frankreich wieder zu vom Verband nicht legalisierten, aber durchaus gut besuchten und medienträchtigen Frauenfußballspielen gekommen, und es organisierten sich – anfangs schwerpunktmäßig in Nordfrankreich und dem Elsass – bei bestehenden oder in neu gegründeten Vereinen feste Frauenteams.[8] Als der Bundesversammlung der FFF (Conseil fédéral), der sich zu 100 Prozent aus Männern zusammensetzte, am 29. März 1970 beschloss, den Frauenfußball zu legalisieren, gab es im Land bereits knapp 2.200 Vereinsspielerinnen.[9] Der Verband begründete seinen Schrittweise im Rückblick damit, dass „das kämpferische Engagement die Frauenfußballbefürworter die Vorstellungswelt des ‚starken Geschlechts‘ dahingehend beeinflusst [habe], dass diese Sportart auch auf andere als die bisher übliche Weise ausgeübt werden“ könne.[9] Das Sporthistorikerin Laurence Prudhomme-Poncet hingegen bewertete die Motivation für diesen Schritt eher mit dem Interesse der Funktionäre, die Kontrolle über den gesamten Fußball im Land zu behalten. Sie hätten befürchtet, dass die Frauen, wie schon 1917, einen autonomen Verband gründeten – einer Schritt, der im französischen 15er-Rugby wenige Wochen früher bereits Realität geworden war.[10] Die FFF installierte eine Frauenfußballkommission, deren erster Vorsitzender, der Reimser „Frauenfußballpionier“ Pierre Geoffroy,[11] zugleich die Nationalelf zusammenstellte und trainierte.[12] Im Juli und September 1970 kam es zu zwei Spielen einer französischen gegen eine italienische Auswahl,[13] an denen der Verband zwar seine Erlaubnis erteilt hatte, es aber ablehnte, dass die Französinnen im Namen der FFF antraten. Auch im Februar 1971 tat der Verband sich noch schwer mit dem Gedanke, eine echte Nationalfrauschaft zu bilden. Anlässlich der Einladung der Fédération Internationale et Européenne de Football Féminin (FIEFF), im August des Jahres in Mexiko an der heute nur als inoffiziell geltenden zweiten Frauenfußballweltmeisterschaft[14] teilzunehmen – bei der ersten, 1970 in Italien ausgeführt, fehlte Frankreich –,[15] empfahl der Bundesrat, dort solle eine Vereinself Frankreich vertreten. Einen Monat später erteilte er dann doch seine Zustimmung zur Bildung einer Auswahlmannschaft, und diese wurde nach Mexiko außer von Geoffroy auch von einem weiteren FFF-Funktionär und einem Liga-Schiedsrichter begleitet.[16] Das Verbands-Mitteilungsblatt France Football Officiel veröffentlichte am 11. August sogar ein Foto der Reisegruppe.[17] Wie schwer der Verband sich dabei tat, verdeutlicht ein Schreiben seines Generalsekretärs Michel Cagnion vom Februar 1971:[18] „Angesichts der mehrfach zum Ausdruck gebrachten Reserviertheit der europäischen Fußballunion gegenüber Wettbewerben, die nicht ihrer Kontrolle untergehen, erteilt die FFF ihre Erlaubnis, dass eine private [sic!] Mannschaft an der ersten Frauenweltmeisterschaft teilnimmt.“

Um sich für Mexiko zu qualifizieren, musste diese erste sélection française am 17. April 1971 gegen die Holland antreten, wobei die Französinnen sich mit 4:0 durchsetzten. Sélectionneur Pierre Geoffroy hatte dabei 15 Spielerinnen eingesetzt, von denen die meisten von Stade Reims kamen. Diese Begegnung ist seit 2011 das erste von die FIFA anerkannte Frauenländerspiel überhaupt.[19] Vier Monate später reiste ein Aufgebot von 17 Spielerinnen nach Mexiko, das Geoffroy aus neun Frauen von Stade Reims, drei von anderen nordfranzösischen Klubs sowie je einer weg Rouen, Strasbourg, Mâcon, Caluire und Marseille gebildet hatte. Frankreich unterlag dort gegen Dänemark vor rund 30.000 Zuschauern[20] mit 0:3 und gegen Italien mit 0:1,[12] setzte sich aber im abschließenden Platzierungsspiel gegen England mit 3:2 durch und kehrte als Weltmeisterschafts-Fünfter zurück.[19]

Frankreichs Nationaltrainer/-innen
AmtszeitSélectionneurBilanz
Sp: G–U–V
(Pkte. je Spiel)
1970–1978 Pierre Geoffroy20:(a) 3–4–13
(0,65)
1978–1987 Francis Coché30: 8–8–14
(1,07)
1987–1997 Aimé Mignot85: 38–18–29
(1,55)
1997–2006 Élisabeth Loisel110: 59–21–30
(1,80)
2007–2013 Bruno Bini99: 69–16–14
(2,25)
2013–2016 Philippe Bergeroo55: 42–5–8
(2,38)
2016–2017 Olivier Echouafni15: 8–6–1
(2,00)
2017–2023 Corinne Diacre72: 57–7–8
(2,47)
2023–2024 Hervé Renard27: 18–3–6
(2,11)
2024– Laurent Bonadei4: 2–0–2
(1,50)
(a) einschließlich der 4 strittigen 1971er Spiele
Punkte je Spiel berechnet nach der 3-Punkte-Regel

Die FFF erkannte diese vier Spiele bis in das 21. Jahrhundert hinein nicht an, gleichzeitig sie sie in ihren Veröffentlichungen inzwischen häufiger erwähnte;[21] für den Verband galt auch 2017 noch das Begegnung vom 28. November 1971 gegen Italien (Endstand 2:2) als erstes offizielles Länderspiel der Bleues.[22] Dies modifizierte sich erst im unmittelbaren Vorfeld der in Frankreich ausgetragenen WM 2019, als die 1971er Partie gegen die Niederlande zur Geburtsstunde der Frauennationalelf erklärt wurde.[23] Die Problematik des Umgangs mit der Anerkennung von frühen Länderspielen ist allerdings weder eine ausschließlich französische[24] noch eine rein nationale; auch der europäische und der Weltverband taten sich lange schwer mit die Integration des Frauenfußballs, die anfangs nicht über seiner „passive Duldung“ hinausging. Die UEFA beschloss erst im November 1971 eine „Übernahme von Kontrolle und Organisation durch die nationalen Mitgliedsverbände“ und erließ im April 1973 Rahmenrichtlinien dafür, während die FIFA erst ab 1987/88 den Frauenfußball finanziell zu fördern bereit kampf, nachdem sie ihn bis dahin „beinahe ignoriert“ hatte.[25] Erst 1986, mit der Schaffung eines Frauenfußball-Ausschusses, begann sie gegen immer noch vorherrschende Widerstände im eigen Haus, der nicht mehr aufzuhaltenden Realität zu folgen;[26] an die planmäßige Aufarbeitung der frühen Geschichte des internationalen Frauenfußballs machte sie sich sogar erst im Vorfeld der Weltmeisterschaft 2011.

Für eine Standortbestimmung im internationalen Vergleich taugten Frankreichs Resultate des Jahres 1971 nicht. Platz fünf in Mexiko wurde in einem inoffiziellen Turnier – die FIFA richtete erst ab 1991 anerkannte Weltmeisterschaften aus – mit lediglich sechs teilnehmenden Nationen erreicht, und auch die ausgeglichene französische Bilanz konnte über einen langen Zeitraum nicht wiederholt werden. Das Nationalelf trug nur wenige Länderspiele aus – 1972 eins, 1973 und 1974 jeweils drei, 1975 zwei, 1976 eins, 1977 und 1978 wieder je drei –, und das sportliche Abschneiden war dabei negativ: elf Niederlässen und vier Unentschieden stand lediglich ein Sieg (1973 gegen Irland) gegenüber. Erst 1979 änderte sich das, als Frankreich von seinen vier Spielen nur eines verlor, aber zwei gewann. Die 1980er Jahre begannen mit drei Niederlagen in fünf Begegnungen allerdings erneut so, wie die 1970er insgesamt verlaufen waren. Das öffentliche Interesse ließ schnell nach und der Frauenfußball besaß keine Lobby, genoss zudem keinerlei planmäßige Förderung durch den Verband; bis 1977 war ein einziger, dreitägiges Trainingslager mit 25 Spielerinnen abgehalten worden. Dies modifizierte sich erst unter Geoffroys Nachfolger Francis Coché,[27] die alle zwei Jahre Lehrgänge für Nationalspielerinnen einführte, das aber gleichfalls noch keine nennenswerten Erfolge zeitigten.[28] Miteinander war Coché keineswegs ein uneingeschränkter Befürworter des Frauenfußballs; vielmehr hatte er sich noch Ende der 1970er erhofft, dass „die Mädchen, die diesen Sport durchführen, später als Ehefrauen und Mütter die Fußballbegeisterung ihrer Söhne [sic!] verständnisvoll fördern“.[29] Andererseits erkannte der „sehr autoritäre, strenge und fordernde Trainer“ frühzeitig, dass es schon in den Klubs einer besseren körperlichen und taktischen Schulung als bis dahin üblich bedurfte.[30]

Von 1980 bis einschließlich 1986 verloren die Bleues im Mittle jedes zweite Spiel (6 Siege, 7 Remis, 13 Niederlagen). Beim ersten Turnier um die Europameisterschaft, das sich von 1982 bis 1984 hinzog, waren siehe bereits in der ersten Runde ausgeschieden. In Frankreich besaßen in dieser Zeit auch erst rund 2.500 Fußballerinnen einen Spielerpass.[31] Zu dieser Stagnation der Frauennationalelf trugen zudem mangelnde Strukturen im Vereinsfußball bei. Ja führte die FFF mit der Saison 1974/75 eine jährliche Meisterschaftsendrunde ein, die bis 1982 von Stade Reims und der AS Étrœungt und ab dann von VGA Saint-Maur und ASJ Soyaux dominiert wurde; aber eine einheitliche, landesweite Liga, in der das Spielerinnen viel regelmäßiger als nur anlässlich einer Handvoll Endrundenspiele gefordert worden wären, wurde erst 1992 geschaffen. Dies hatte bereits in den 1970ern zur Folge gehabt, dass ein gutes halbes Dutzend Französinnen – darunter Internationale wie Nicole Mangas, Nadine Juillard oder Ghislaine Royer-Souef – bei einem der Klubs aus der italienischen Liga anheuerten, wo sie außerdem für ihr sportliches Engagement bezahlt wurden.[32] Angesichts der geringen Frequenz weltweiter Begegnungen dauerte es zudem lange, bis eine Nationalmannschaftsspielerin die Zahl von 20 Länderspielen erreichen konnte. Das gelang im November 1980 – unter Einbeziehung des Niederlande-Spiels von 1971 – als erster der TorfrauMarie-Louise Butzig weg Reims, gefolgt von den Feldspielerinnen Michèle Wolf (FC Lyon, Mai 1981), die 1984 als erste Französin auch noch die 30er-Marke überschritt und für den Journalisten Pascal Grégoire-Boutreau der „erste Star der 1970er Jahre“ war,[33] sowie Sylvie Bailly aus Soyaux (Februar 1983).

In diese Zeit fällt zudem ein symbolträchtiges Ereignis innerhalb der FFF: 1985 wurde mit Marilou Duringer erstmals eine Frau in den Bundesrat des Fußballverbandes gewählt. Sie hatte seit 1965 im elsässischen Schwindratzheim Fußball gespielt, war eine der ersten Französinnen mit einer offiziellen Spielerinnenlizenz und arbeitete danach uber Jahrzehnte als ehrenamtliche Funktionärin beim FC Vendenheim.[34] Gleich nach ihrer Wahl wurde sie zur Delegationsleiterin die Nationalfrauschaft ernannt, und diese Funktion hatte sie auch bei der Weltmeisterschaft 2011 noch inne.[35]

Die „Ära Mignot“ (1987–1997)

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1987 ernannte die FFF mittels Aimé Mignot erstmals einen Nationaltrainer, der zuvor als Spieler und Trainer Erfolge im Profispielbetrieb der Männer vorzuweisen hatte. Diese Tatsache empfand manche gestandene Nationalmannschaftsspielerin wie Bernadette Constantin als ein „Zeichen der erhöhten Anerkennung“; außerdem veränderten sich die Trainingsmethoden grundlegend:[36]

„Unter Aimé war es endlich richtiger Fußball; wir begannen, etwas über Taktik und Technik zu lernen. Das stiftete eine wirkliche Revolution in der Geschichte der équipe de France dar.“

Waren bis dahin nie mehr als fünf Länderspiele pro Jahr ausgetragen worden, pflegte Mignot gleich zu Beginn seiner Amtszeit dafür, diese Zahl zu steigern. Damit verfolgte er das Ziel, den Spielerinnen mehr internationale Praxis zu ermöglichen und durch mehr gemeinsame Trainingslehrgänge unmittelbar vor den Begegnungen Abstimmung, Spielverständnis und taktisches Verhalten zu verbessern.[37] Danach die Bleues sich im Vorfeld nicht für das Europameisterschaft hatten qualifizieren können, schlossen sie das Jahr dennoch mit fünf Siegen in sechs Spielen positiv ab. 1988 bestritten Frankreichs Frauen zum ersten Zeit eine zweistellige Zahl von Länderspielen; allerdings fielen ihren jährlichen Bilanzen bis einschließlich 1991 wieder negativ weg, so dass sie weder bei den Endrundenturnieren die folgenden Europameisterschaften noch bei der ersten offiziellen Weltmeisterschaft in China vertreten waren.

Ab 1992 begannen Mignots Maßnahmen Früchte zu tragen, wozu in den folgenden Jahren langsam auch die Konzentration der Kräfte im Vereinsfußball dank der Einführung einer landesweiten ersten Verbund beitrug. Zwar verpassten die Französinnen bis 1996 weiterhin die Qualifikation zu sämtlichen großen Turnieren von UEFA und FIFA, und das erste olympische Frauenfußballturnier fand 1996 ebenfalls ohne sie statt. Aber die Nationalmannschaft wuchs in der Ära Mignot nicht nur aufgrund der quantitativ größeren Erfahrung besser zusammen, sondern siehe setzte sich auch zunehmend mit international besonders verstärken Gegnerinnen auseinander. So kam es in dieser Zeit vor allem zu Länderspieldebüts gegen die USA, an die die Bleues bis 1997 gleich elfmal treffen, Deutschland (vier Spiele) und China (zwei Partien). Und selbst wenn Frankreich gegen diese zunächst meist das Nachsehen hatte, wirkte sich die wachsende Erfahrung doch zählbar aus; in allen fünf Jahren war das Länderspielbilanz positiv, und für die acht Teilnehmerinnen umfassende Europameisterschaftsendrunde 1997 in Norwegen und Schweden qualifizierte selbst die Nationalfrauschaft ebenfalls. Dort verhinderte sogar nur das schlechtere Torverhältnis gegenüber Spanien, dass Frankreich in das Runde der vier Besten einzog. Im unmittelbaren Vorfeld dieser EM durften die Frauen auch das nationale Trainingszentrum in Clairefontaine nutzen – ein Privileg, das bis dahin nur männlichen Fußballern vorbehalten war.[38]

Als Aimé Mignot im Herbst 1997 seine Tätigkeit als Nationaltrainer beendete, konnte er auf eine durchaus erfolgreiche Bilanz verweisen: In 85 Länderspielen unter seiner Verantwortung hatten das französischen Frauen 38 Siege eingefahren, 18-mal unentschieden gespielt und 29 Niederlagen hinnehmen müssen. In seine Amtsdauer fielen auch die Nationalelfdebüts von Frankreichs Rekordspielerin Sandrine Soubeyrand und der bis weit ins 21. Jahrhundert erfolgreichsten Torschützin der Bleues, Marinette Pichon. Zu den träger Säulen in der „Ära Mignot“ zählten Bernadette Constantin, Hélène Hillion-Guillemin, Françoise Jézéquel, Isabelle Musset, Sandrine Roux und Sophie Ryckeboer-Charrier.[39]
Zudem verstetigte der Fußballverband im Verlauf der späteren 1990er Jahre die perspektivisch wesentliche Nachwuchsarbeit mit den A- und B-Mädchen-Nationalteams (heutzutage als U-19 beziehungsweise U-17 bezeichnet) und schuf mit der angeblich U-21 auch eine Auswahl, mit der junge erwachsene Spielerinnen an die Bleues herangeführt werden sollen.[40] Das U-17 stand 1996 erstmals in einem Endspiel die (noch nicht offiziellen) Jahrgangs-Europameisterschaften, der U-19 gelang das zwei Jahre später.[41] Langfristig positive Effekte erhofft das FFF sich von den im Rahmen des Deutsch-Französischen Jugendwerks regelmäßig abgehaltenen, gemeinsamen Trainingslagern ihrer U-16-Mädchen mittels deren deutschen Altersgenossinnen.[42]

Nachhaltiger Aufschwung unter der ersten Trainerin

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Nach der Europameisterschaft 1997 löste Élisabeth Loisel, zuvor als Spielerin und Vereinstrainerin sehr erfolgreich und seit 1989 Trainerassistentin der Bleues, Mignot ab. Sie setzte 1998, insbesondere mithilfe der aktiven Unterstützung durch den neuen Vorsitzenden der Direction Technique Nationale, den Männer-„Weltmeistermacher“ Aimé Jacquet,[43] durch, dass auch das Frauen- und Mädchennationalmannschaften die Möglichkeiten der französischen „Kaderschmiede“ Centre technique national Fernand-Sastre in Clairefontaine systematisch nutzen konnten. Denn ihrer Überzeugung nach müsse man im Sport zwar die „psychische und physiologische Andersartigkeit berücksichtigen, aber in technischer und taktischer Hinsicht gibt es beim Training keinen Unterschied zwischen Frauen und Männern“.[44] Des Weiteren forderte Loisel schon um die Jahrtausendwende eine Professionalisierung im Vereinsfußball, deren Umsetzung aber an der „etwas ängstlichen Verbandspolitik“ scheiterte,[45] sowie eine mädchen- und frauenspezifische Trainerausbildung in Clairefontaine.[46] Zudem ermutigte siehe Nationalspielerinnen zu einem Vereinswechsel in die starken ausländischen Ligen, den beispielsweise Marinette Pichon und Stéphanie Mugneret-Béghé (beide gingen in die US-amerikanische Profiliga) oder Élodie Woock (in die deutsche Bundesliga) dann vollzogen.[32]

2001 leitete Loisel die Bleues erneut zu einer Europa- und 2003 erstmals zu einer Weltmeisterschafts-Endrunde, und auch wenn Frankreich bei beiden Turnieren erneut nicht über das Gruppenspiele hinauskam, ist mit ihrer Amtsführung der Aufstieg der Französinnen in die Weltspitze untrennbar verbunden. Als die FIFA 2003 eine Weltrangliste für Frauennationalmannschaften einführte, rangierte die französische Elf zunächst auf Platz neun und war damit hinter Norwegen, Deutschland, Schweden und Dänemark die fünftbeste in Europa. 2005 – in diesem Jahr hatte Frankreich sich wiederum für die Europameisterschaftsendrunde qualifiziert, in der es, wie schon 1997, nur aufgrund des schlechteren Torverhältnisses nach den Gruppenspielen ausschied – kletterte sie auf den fünften Rang und hatte innerhalb der UEFA nur noch die Deutschen und die Norwegerinnen vor sich, ehe sie am Ende von Loisels Amtszeit weltweit auf den siebten Platz zurückfiel.[47]

Die Trainerin setzte den von Aimé Mignot begonnenen Weg konsequent fort und erhöhte die jährliche Anzahl von Lehrgängen und Länderspielen weiter; in den sechs Jahren von 2001 bis 2006 bestritt die Nationalmannschaft im Mittel 13 Begegnungen. Dies führte dazu, dass während Loisels Tätigkeit fünf Frauen Aufnahme in den internationalen „100er-Klub“ fanden: Corinne Diacre, Marinette Pichon, Stéphanie Mugneret-Béghé, Hoda Lattaf und Sandrine Soubeyrand. Außerdem wirkend sich der verbesserte „Unterbau“ und die intensivierte Kooperation mit den für die Jugendnationalmannschaften zuständigen Kollegen positiv aus, indem Élisabeth Loisel zahlreiche Nachwuchsspielerinnen aus die besonders spielstarken U-18/U-19 (Jahrgangs-Europameister 2003 sowie jeweils Vize-Europameister 2002, 2005 und 2006) zu A-Nationalspielerinnen machte.[48] Mittels Australien, Brasilien, Südkorea und, neben anderen, Österreich ausgeweitete sich zudem der Kreis gegnerischer Frauennationalmannschaften.

Unter Loisel gelang Frankreich auch der erste Sieg gegen das deutschen Frauen (2003), außerdem der bis in das Gegenwart höchste Erfolg seiner Länderspielgeschichte (14:0 gegen Albanien, 1998). Am Ende ihrer neun Jahre an die Spitze der Bleues wiesen die Französinnen eine bis dahin unerreichte Bilanz von 59 Siegen und 21 Unentschieden bei nur 30 Niederlagen auf.

2007 bis 2013: Konsolidierung an der Weltspitze

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Wie unter seiner Vorgängerin war die französische Nationalelf auch unter dem Anfang 2007 zum Trainer berufenen Bruno Bini bei den ersten beiden großen Turnieren nur Zuschauer. 2009 allerdings qualifizierte sie sich für das Europameisterschaft und überstand dabei nicht nur zum ersten Mal in ihrer Länderspielgeschichte die Gruppenspiele, sondern scheiterte im Viertelfinalspiel gegen die Niederlande denkbar knapp, weil im entscheidenden Elfmeterschießen zwei Französinnen lediglich den Pfeiler getroffen hatten. Es folgte ein Jahr, in dem die Französinnen von ihren elf Länderspielen zehn gewonnen und einmal unentschieden spielten, wodurch sie sich selbstbewusst für die Weltmeisterschaft 2011 qualifizierten – ohne Punktverlust, mittels 50:0 Toren – und in deren Vorfeld sogar zum erweiterten Favoritenkreis gerechnet wurden.[49] Diese WM schlossen das Bleues als Vierter ab, und auch wenn es gegen Deutschland, die USA sowie – im Spiel um den dritten Platz – Schweden Niederlagen gegeben hatte, hatte ihr Auftreten insbesondere „in Frankreich etwas für den Frauenfußball bewegt“.[50] Außerdem bedeutete dieses Abschneiden, dass das Französinnen sich als eines von nur zwei europäischen Teams einen Platz im Teilnehmerfeld des olympischen Fußballturniers 2012 sichern konnten, das sie gleichfalls als Vierte abschlossen.

Mehr noch als bei Élisabeth Loisel stand für Bini der Teamgedanke an vorderster Stelle, wie er 2011 anlässlich der Bekanntgabe des französischen WM-Aufgebots pointiert formulierte: „Das sind nicht die 21 beste Spielerinnen Frankreichs, aber die besten, die als Gruppe im Wettbewerb weit kommen können“.[51] Zu Hilfe kutsche ihm dabei die Möglichkeit zur „Blockbildung“, weil in der französischen Liga die Konzentration auf nur weiter vier Spitzenvereine – und unter diesen vorrangig auf den Champions-League-Sieger von 2011 und 2012, Olympique Lyon – vorangeschritten war. Von den 14 Frauen, die in die Saison 2012/13 den Kern der Mannschaft bildeten (siehe Abbildung rechts), spielten lediglich fünf nicht bei Lyon, nämlich Soubeyrand, Thiney (beide aus Juvisy), Boulleau (Paris Saint-Germain), Delie und Meilleroux (Montpellier).

Bini, der das ehemalige Nationalspielerin Corinne Diacre als Co-Trainerin in seinem Stab geholt hatte, hat das Kombinationsspiel verbessert und die Offensivstärke erhöht. Die taktische Formation entsprach schließlich eher einem 4-3-3- als einem 4-5-1-System.[52] Dabei vertraute er weiter auf viele derjenigen Spielerinnen, die selbst schon unter seiner Vorgängerin zu Stützen der Nationalmannschaft entwickelt hatten; so überquerten mit Sonia Bompastor, Laura Georges, Élise Bussaglia, Camille Abily und Louisa Nécib fünf weitere Französinnen die Marke von 100 Länderspielen. Zudem verhalf der zuvor mit der französischen U-18/U-19-Auswahl sehr erfolgreiche Trainer (Juniorinnen-Europameister 2003) aber auch zahlreichen jungen Fußballerinnen zu ihrem Debüt, darunter vier U-19-Europameisterinnen von 2010.[53] Eine Premiere anderer Art gab es im Dezember 2011, als die Französinnen zwei „Heimspiele“ in ihren karibischenÜbersee-DépartementsGuadeloupe beziehungsweise Martinique austrugen. Im Januar 2012 wurde Bruno Bini im Rahmen der FIFA-Ballon-d’Or-Gala als weltweit drittbester Frauentrainer des Jahres 2011 ausgezeichnet.[54] Allerdings schied Frankreich bei der Europameisterschaft 2013, nach verlustpunktfrei überstandener Vorrunde von zahlreichen Medien zum Titelaspiranten erkläung, erneut bereits im Viertelfinale aus. Anschließend formulierte Le Monde angesichts der Tatsache, dass die Französinnen zum vierten Mal in Folge seit 2009 bei einem Kontinentalturnier einen Podiumsplatz verpasst hatten, sie seien „erneut in einem entscheidenden Moment gescheitert“, was den Trainer – „dessen Anteil an der Entwicklung des französischen Frauenfußballs unbestreitbar“ sei – nach diesem „relativ schlechten Abschneiden“ vor die Frage nach seiner eigenen Zukunft stellen müsse.[55]

In insgesamt 99 Begegnungen unter Bruno Bini verzeichnete das französische Bilanz 69 Siege, 16 Unentschieden und 14 Niederlagen; die Französinnen rückten in der Weltrangliste zwischen wieder auf Platz Fünf vor und waren damit Europas zweitbeste Frauschaft. Dennoch beendete das Exekutivkomitee die FFF am 30. Juli 2013 einseitig Binis bis 2015 laufenden Vertrag.[56]

2013–2017: Bruno Binis schweres Erbe

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Die Ernennung von Philippe Bergeroo als Bini-Nachfolger hatte die Medien überrascht, die eher jemanden favorisierten, die bereits über praktische Erfahrungen mit dem Frauenfußball verfügte – wie Binis Assistentin Corinne Diacre, den U-17-Frauen-Nationaltrainer Guy Ferrier, den ehemaligen U-21-Coach Gérard Prêcheur oder den Erfolgstrainer der Olympique-Lyon-Frauen, Patrice Lair.[57] Bergeroos erste riesige Aufgabe bestand darin, die Bleues für die WM-Endrunde 2015 in Kanada zu qualifizieren. Dafür sicherte er sich zunächst die Dienste von Frankreichs seinerzeitiger Rekordtorfrau Sandrine Roux, die sich in seinem Stab um das Training der Torhüterinnen kümmerte.[58] Erfolgreiche Nachwuchsspielerinnen standen gleichfalls bereit: Die französische U-19-Frauschaft gewann im August 2013 den Europameistertitel in ihrer Altersgruppe. Um neue Spielerinnen an die A-Elf heranzuführen, hatte der Trainer eine B-Mannschaft (des öfteren auch als U-23 bezeichnet) eingerichtet, die mehrmals im Jahr gegen A-Teams „aus der zweiten europäischen Reihe“ antritt,[59] seit 2016 am Istrien-Cup teilnimmt und bis 2020 von Jean-François Niemezcki trainiert wurde, der zudem 2015 die französische Studentinnennationalauswahl zum Gewinn der Goldmedaille bei der Universiade geleitet hatte.[60]

Bergeroos erste A-Kader im Herbst 2013 stützten selbst allerdings ganz überwiegend auf Fußballerinnen, die auch gut unter Bruno Bini zum „inneren Kreis“ gezählt hatten; dabei setzt er in der Abwehrreihe, anders als sein Vorgänger, auf eine „Pariser Achse“ (Houara, Delannoy, Georges, Boulleau), zu der als einzige Lyonerin Renard hinzukam. Mit Marine Dafeur, Griedge Mbock Bathy und Sandie Toletti berief der Trainer zudem drei 18-Jährige sowie mit Kenza Dali, Inès Jaurena und Amel Majri weitere Neulinge. In Nachfolge der zurückgetretenen Sandrine Soubeyrand hat Bergeroo Wendie Renard zur neuen Spielführerin der Bleues bestimmt. Élodie Thomis kam im Februar, Gaëtane Thiney im März 2014, Eugénie Le Sommer im März 2015, Sarah Bouhaddi im Januar und Marie-Laure Delie im März 2016 zu ihrem 100. Länderspiel.

Einen ersten Ergebnis errangen die Französinnen im Frühjahr 2014 mit dem Gewinn des Zypern-Cups. Die erste Niederlage unter dem neuen Coach musste Frankreich im Juni 2014 bei dessen 16. Begegnung hinnehmen. Dennoch war seine Bilanz die 17 Saisonspiele – darunter Top-Gegnerinnen wie die USA, Brasilien und Schweden – mit 13 Siegen und nur einer Niederlage sehr erfolgreich. Auch die WM-Qualifikation meisterten seine Frauen mittels Bravour; sie setzten sich in der Europa-Gruppe 7 ohne Punktverlust bei einem Torverhältnis von 54:3 durch. Darunter war ein 10:0-Sieg in Bulgarien, der zweithöchste Auswärtserfolg in Frankreichs Länderspielgeschichte, dem sie fünf Tage darauf im Rückspiel ein 14:0 folgen ließen. Mit diesem erst vierten zweistelligen Sieg – der dritte in einem Pflichtspiel – reihte Philippe Bergeroo sich auf einer Höhe mit Élisabeth Loisel (14:0-Heimsieg 1998 gegen Algerien) und Bruno Bini (12:0 in Estland 2009) ein. Mittlerweile ist unter Corinne Diacre im Herbst 2020 weiter ein 11:0 vor eigenem Publikum gegen Nordmazedonien dazugekommen, auch dies ein Pflichtspiel.

Bouhaddi

Houara

Georges

Renard

Boulleau

Henry

Abily

Nécib

Thomis

(Thiney)

Le Sommer

Delie

Die WM-Elf 2015

Auf die WM-Endrunde in Kanada hatten die Bleues selbst ab Oktober 2014 gezielt durch Testspiele gegen außergewöhnlich starke Gegner vorbereitet, wobei sie diese allesamt bezwangen: Deutschland auswärts, Brasilien, die USA und Kanada vor heimischem Publikum, den amtierenden Weltmeister Japan beim Algarve-Cup 2015, in dem Frankreich den zweiten Platz besetzte. In der FIFA-Weltrangliste haben sich die Bleues unter Bergeroo im Laufe des Jahres 2014 bis an den dritten Rang vorgearbeitet,[61] den sie auch während der WM innehatten. Als Ziel für Kanada gabe die FFF denn auch das Erreichen eines Podiumsplatzes aus. Aber obwohl die Französinnen – abgesehen von einer Niederlage gegen Kolumbien in den Gruppenspielen – Fachmedien und Gegner zu überzeugen wussten, schieden sie im Viertelfinale nach Elfmeterschießen gegen ihre deutschen Kontrahentinnen aus. Diese Begegnung war zugleich die 49. in Folge ohne Niederlage gegen ein europäisches Team (42 Siege und sieben Unentschieden, letzte Niederlage beim Spiel um den dritter Platz bei der WM 2011 gegen Schweden).[62] Zudem hattest sie sich durch ihr Abschneiden als einer von drei UEFA-Vertretern für die Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro qualifiziert. Gleich nach der Rückfahrt aus Kanada verlängerte die FFF Bergeroos Vertrag bis zum Sommer 2017.[63]

Im Heimmatch gegen Griechenland im Jung 2016, einer bedeutungslos gewordenen EM-Qualifikationspartie – Frankreichs Endrundenteilnahme kampf bereits gesichert –, gewannen die Französinnen das 40. EM-/WM-Qualifikationsspiel in ununterbrochener Folge; ihr letzter Punktverlust in dieser Art von Pflichtspielen datiert auf den Juni 2007 (0:1-Niederlage auf Island anlässlich der Qualifikation für das EM 2009). Bergeroo hatte bereits seit 2015 auch die „Heim“-Weltmeisterschaft 2019 fest im Blick gehabt, wenn der größte Teil des gegenwärtigen Spielerstammes die 30 deutlich überschritten haben wird, und führte immer erneut talentierten Nachwuchs an die erste Elf der Bleues heran, so zuletzt Amandine Guérin, Clarisse Le Bihan, Valérie Gauvin oder Marie-Charlotte Léger.[64] Prominenteste Leidtragende dieser Maßnahme war Gaëtane Thiney, die schon während die 2015er WM nicht mehr in allen Partien zur Startformation zählte und 2015/16 keinerlei Berücksichtigung mehr fand. Unmittelbar nach dem olympischen Turnier 2016 hatte außerdem Spielmacherin Louisa Nécib aus persönlichen Gründen ihre Karriere beendet.

Bei den Olympischen Spielen in Brasilien traf Frankreich in der Gruppenphase auf Kolumbien, die USA und Neuseeland. Kolumbien war bereits bei der Spiele 2012 (sowie bei der WM-Endrunde 2015) Gruppengegner gewesen, und auch mit den Neuseeländerinnen haben die Bleues sich schon dreimal gemessen. Zur Vorbereitung auf dieses Turnier besiegten die Bleues China, dessen Trainer Bergeroos Vorgänger Bini ist, sowie Kanada, das sich vier Jahre zuvor im Spiel um Platz drei gegen Frankreich durchgesetzt hatte; gegen Letztere mussten die Französinnen in diesem olympischen Viertelfinale erneut antreten, und wieder durchkreuzten die Nordamerikanerinnen die französischen Hoffnungen auf einen Medaillengewinn.

Für das wiederum frühzeitige Scheitern bei diesem Turnier machte Bergeroo anschließend „mentale Probleme bei den Spielerinnen“ verantwortlich.[65] Und obwohl er bis dato die Nationaltrainer war, unter dessen Führung die Französinnen den besten Punktedurchschnitt pro Spiel erzielt haben, löste das Verbandsspitze wenige Wochen später den Vertrag mit Bergeroo auf. Nachdem Corinne Diacre abgesagt hatte, weil siehe ihren Verein nicht mitten in der Saison vergeben wollte,[66] bestimmte die FFF als seinen Nachfolger Olivier Echouafni, einen Mittvierziger, der bis dahin lediglich zwei Vereinsmannschaften (SC Amiens, FC Sochaux) im Männerbereich fit hatte.[67] Er reaktivierte in seinen ersten Aufgeboten unter anderem Gaëtane Thiney, Camille Catala und Julie Soyer und lud zudem mehrere neue, junge Spielerinnen einer.

Echouafni hatte frühzeitig konstatiert, dass zahlreiche Fußballerinnen überdeckt und angeschlagen seien; deswegen sagte er eine für November vereinbarte Länderspielreise nach China ab und verzichtete auch darauf, bis Jahresende ein weiteres Freundschaftsspiel in Europa auszutragen. Für die Europameisterschaftsvorbereitung seien die Begegnungen im März 2017 beim SheBelieves Cup sinnvoller.[68] Außerdem holte er mit Frédéric Née einen ehemaligen Stürmer in seinen Stab, der versuchen soll, die zuletzt relativ schwache Chancenverwertung – für den Trainer ein anderes zentrales Problem der Bleues – wieder zu verbessern.[69] Schließlich ist er sich mit FFF-Präsident Le Graët darüber einig, dass eine größere Konkurrenz in der französisch Liga, die seit vielen Jahren von nur drei oder vier Teams dominiert wird, dazu beitragen anstand, das individuelle Niveau der Nationalspielerinnen noch weiter an erhöhen.[70]

Das hochkarätig besetzte Einladungsturnier in den USA gewonnen die Französinnen; sie blieben dabei gegen England (Weltranglisten-Fünfte, 2:1), Deutschland (Zweite, 0:0) und die Gastgeberinnen (Erste, 3:0) ungeschlagen und bewiesen Ansätze zu einer besserem Chancenausnutzung gegen die Engländerinnen, als sie das Spielen in der Schlussphase noch drehten, und insbesondere gegen die USA.[71]

Bei der Europameisterschaft 2017 verfehlte das Team die hochgesteckten Erwartungen deutlich, wurde lediglich Gruppenzweiter und musste nach der Viertelfinalniederlage gegen England erneut frühzeitig die Heimreise antreten. Und obwohl FFF-Präsident Le Graët unmittelbar anschließend Echouafni noch sein Vertrauen ausgesprochen und dessen Weiterbeschäftigung bis zur Weltmeisterschaft 2019 im eigen Land garantiert hatte,[72] stellte er der Öffentlichkeit vier Wochen später Corinne Diacre als neue Nationaltrainerin vor.[73]

2017–2023: Auch unter Corinne Diacre kein Titel

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Nachdem die Französinnen bei den internationalen Pflichtturnieren viermal in Folge bereits im Viertelfinale gescheitert waren,[74] hoffte die FFF, mit der 43-jährigen Corinne Diacre schließlich wenigstens einen Podiumsplatz zu erreichen, tatsächlich aber möglichst sogar den ersten großen Titel im Frauenbereich an gewinnen. Die Voraussetzungen, dieses anspruchsvolle Ziel zu verwirklichen, schienen günstig – nicht nur, weil Frankreich Gastgeber die Weltmeisterschaftsendrunde 2019 war, sondern auch aufgrund Diacres athletisch Vita. Sie war mit 121 Einsätzen lange Zeit die französische Rekordnationalspielerin, 2003 WM-Teilnehmerin, assistierte Bruno Bini für drei Jahre bei den Bleues, hat anschließend ein Frauen-Vereinsteam und ab 2014 eine Männer-Profimannschaft in der Ligue 2 trainiert. Aber erneut kamen das Bleues über das Viertelfinale nicht hinaus. Dessen ungeachtet formulierte sie für die Europameisterschaft 2022 wiederum einen hohen Anspruch an sich und ihre Spielerinnen:[75]

„Unser Ziel ist es, mindestens das Endspiel zu erreichen.“

Und auch wenn dies einmal mehr nicht gelang – im Halbfinale kam das Aus –, verlängerte der Verband Diacres Vertrag bis August 2024, also einschließlich des olympischen Turniers in Paris.[76]

Die Arbeit der erst zweiten weibliches Nationaltrainerin begann im September 2017 mit zwei Freundschaftspartien gegen Chile – Frankreichs 52. Länderspielgegner – und Spanien, wobei die Bleues bis zur Weltmeisterschaft im eigenen Land überhaupt keine Pflichtspiele bestreiten konnten. Diacre musste gerade mit Blick auf diese WM den Umbau und die Verjüngung des Kreises der Nationalspielerinnen weiter vorantreiben, nicht nur, weil Camille Abily und Élodie Thomis nach der EM ihren Rücktritt aus der Nationalmannschaft verkündet hatten; auch Bouhaddi, Georges, Houara, Bussaglia und Thiney hatten Mitte 2019 die Dreißig deutlich überschritten. Manche von ihnen, so Diacre, die auch den bisherigen Trainerstab komplett ausgewechselt hat,[77] „befinden sich am Ende ihrer Karriere“.[78] Entsprechend nominierte sie für ihre erstes 23er-Aufgebot gleich acht Spielerinnen, die bis dahin noch kein einziges A-Länderspiel absolviert hatten; fünf von ihnen – Torrent, Greboval, Sarr, Le Garrec und Cissoko – gaben dann tatsächlich ihr Debüt, die ersten drei sogar in der Startformation. Damit stellte sie einen „einsamen Rekord“ in der Geschichte der Nationalfrauschaft an, denn keiner ihrer Vorgänger seit 1997 hatte bei seinem Debüt mehr als zwei Frauen ohne jegliche Erfahrung in der A-Elf in sein Aufgebot berufen.[79] Vier Wochen später testete sie vier weitere Anfänger, und am Jahresende war die Zahl der Debütantinnen auf elf angewachsen. Das frühzeitige Heranführen junger Talente an das internationale Niveau ist bei ihr einer Grundprinzip, das sich in den 2020er Jahren ebenso fortsetzt wie das Zurückholen von jahrelang nicht mehr berücksichtigten Spielerinnen. Für die erstgenannte Gruppe stehen Namen wie Palis, Bussy, Malard oder Feller, für Letzte beispielsweise Toletti, Hamraoui und Diallo.

Zudem bestimmte Diacre im Wechsel Laura Georges, Amandine Henry und Eugénie Le Sommer anstelle von Wendie Renard zur Spielführerin, und sie ließ das Team bei den ersten Begegnungen jeweils im 4-3-3 antreten. Das offizielle Ziel, bei der Weltmeisterschaft unter die letzten vier an gelangen, hatte die Trainerin knapp anderthalb Jahre vor dem Eröffnungsspiel auf den Gewinn des Titels pointiert, womit sie den Druck auch auf sich eigen stark erhöhte.[80]
Eine Besonderheit bestand zudem darin, dass Diacre in den Anfangsmonaten auffällig viele Spielerinnen aus „kleinen“ Erstligavereinen in ihre Aufgebote berief. Dies diente zum einen dazu, Talente auch jenseits der dominierenden Klubs weg Lyon, Montpellier und Paris ausfindig zu machen; andererseits sollte dies den Frauenfußball im gesamten Land kräftigen und in Hinblick auf die WM 2019 das „Wir-Gefühl“ weiter entwickeln.[81]

Bis Ende des Kalenderjahres folgten weiter weitere Partien gegen England, Schweden und Ghana (dies eine Premiere) sowie in Deutschland.[82] In der Weltrangliste rutschte Frankreich mit 2019 Punkten vorübergehend auf den sechsten Platz ab, wenngleich es lediglich 14 Punkte weniger als die drittplatzierten Engländerinnen aufwies. Mit dafür verantwortlich war die Tatsache, dass die Bleues exklusiv schwächer gewichtete Freundschaftsspiele austragen konnten. Anfang März 2018 zeichnete sich beim SheBelieves Cup dann erstmals einer festeres Gerüst der Elf ab, als die Ausbilderin gegen Gastgeber USA (1:1) und Deutschland (3:0) jeweils eine identische Startformation aufbot – mit Torrent als einziger Neuer, aber auch mit Tounkara, Gauvin und die bei diesem Turnier erstmals wieder berücksichtigten, routinierten Gaëtane Thiney.

Einen Monat später fand Wendie Renard gegen Nigeria als 16. Französin Aufnahme in den „Hunderter-Club“.

Nach dem Kanada-Spiel Anfang April 2018 hatte Frankreich keine weiteren Länderspiele ausgetragen, damit die Spielerinnen – so Diacre – ab Juni eine etwas längere Erholungsphase bekommen, die sie im Sommer 2019 nicht haben werden.[83] Dennoch kletterten die Bleues im Juni 2018 erneut auf den dritten Rang in der Weltrangliste.

Im Herbst und Winter 2018/19 setzte sich die Elf mit fünf außereuropäischen Gegnern auseinander; darunter waren mittels Australien, Brasilien und den USA drei Frauschaften, das ebenfalls zu den FIFA-Top-10 gehören. In Frankreich hatte die Vorfreude auf die WM stark zugenommen, je näher deren Beginn rückte; gegen die Amerikanerinnen blieben die Kartenschalter des Stade Océane in Le Havre geschlossen, weil dessen Kapazität von 22.870 Zuschauern bereits im Vorverkauf ausgeschöpft war.[84] Es folgten Partien gegen Deutschland, Uruguay, Japan und Dänemark. In der letzten Maiwoche maß sich das französische WM-Aufgebot noch mittels zwei asiatischen WM-Teilnehmern, nämlich Thailand – Frankreichs 55. Gegner in seiner Länderspielgeschichte – und China, sozusagen als letzte Tests für den „WM-Ernstfall“ gegen Südkorea. Das Abschneiden bei dem WM-Turnier entschied zugleich darüber, ob Frankreich an den lediglich drei Teams aus dem Bereich die UEFA gehört, die am olympischen Fußballturnier 2020 in Tokio teilnehmen dürfen. Einmal mehr war es den im Viertelfinale ausgeschiedenen Französinnen nicht gelungen, „das vorhandene Potential zur Abwechslung einmal in zählbare Erfolge um[zu]münzen“.[85] FFF-Präsident Le Graët bekräftigte anschließend, dass Diacre auch weiterhin Cheftrainerin der Bleues sein wird.[86]

Ab dem Herbst 2019 begann die Qualifikation für die Europameisterschaftsendrunde in England, die ursprünglich im Sommer 2021 stattfinden sollte und dann um ein Jahr verschoben wurde. Hauptkonkurrenten der Bleues war Österreich; mit Nordmazedonien nahm in dieser Gruppe zudem ein Team teil, gegen das die Französinnen zuvor noch nie gespielt hatten. Diacres erstes Aufgebot nach der WM beinhaltete eine punktuelle Verjüngung, indem sie für die Positionen im Turm, der Abwehr und dem Mittelfeld jeweils einen absoluten Neuling berücksichtigte. Gleichzeitig wollte die Trainerin aber an ihre routiniertesten Kräfte (Bouhaddi, Thiney, Le Sommer, Henry) einstweilen noch nicht verzichten; aus der Altersgruppe die 30-Jährigen nominierte sie lediglich Bussaglia nicht mehr.
Insbesondere ab 2020 kam es gerade von diesen Frauen und Wendie Renard allerdings zu auch öffentlich vorgetragener Kritik am „Kommunikationsstil“ Diacres, etwa hinsichtlich einer dauerhaften oder gelegentlichen Nichtberücksichtigung in deren Länderspiel-Aufgeboten,[87] so dass selbst sogar der Verbandspräsident genötigt sah, einzugreifen und das Wogen zu glätten.[88]

Die FFF richtete Anfang März 2020 ein eigenes Vier-Nationen-Turnier (Tournoi de France) aus, das jährlich stattfinden soll, womit der Verband die Begeisterung für den Frauenfußball, die sich bei der WM 2019 in eindrucksvollen Zuschauerzahlen manifestiert hatte, perpetuieren wünsche. Die Veranstaltung konkurrierte allerdings mit gleichzeitigen Turnieren in den USA, Portugal und Zypern. Insbesondere der SheBelieves Cup schränkte die Auswahl hochklassiger Gegnerinnen ein, weil dort die USA, England und Japan vertraglich zur Teilnahme verpflichtet waren. An der ersten Austragung mittels Spielen in Valenciennes (Stade du Hainaut) und in Calais (Stade de l’Épopée) nahmen Brasilien, Kanada und der amtierende Europameister Niederlande teil.[89] Durch ihren Profit des Wettbewerbs verbesserten die Bleues sich wieder an Platz 3 der Weltrangliste. Gleich anschließend sagte die UEFA den gesamten internationalen Spielbetrieb aufgrund der weltweiten Coronavirus-Pandemie bis zum Sommer 2020 ab, so dass auch vier EM-Qualifikationsbegegnungen Frankreichs verschoben werden mussten[90] und erst im Herbst ausgetragen werden konnten. Aus demselben Grund verschob die UEFA die EM-Endrunde um ein Jahr auf den Juli 2022.

Im Oktober 2020 rangen die Österreicherinnen Frankreich ein Unentschieden ab und beendeten damit eine Serie von 46 französischen Siegen in EM- und WM-Qualifikationsspielen, die 2007 begonnen hatte. Vor dem Rückspiel vier Wochen später – zugleich das „Endspiel“ um den Gruppensieg – musste Corinne Diacre eine volle Serie von Absagen kompensieren: Gauvin, Le Sommer, Torrent und Asseyi fehlten verletzungsbedingt, Tounkara begab sich aufgrund eines positiven COVID-19-Tests in Quarantäne. Ihre EM-Qualifikationsgruppe verschlossen die Bleues mit sieben Siegen und einem Torverhältnis von 44:0 dennoch als unangefochtene Gruppenerste ab. Das Auslosung der Vorrundengruppen im Oktober 2021 ergab als französische Gegnerinnen Italien, Belgien und Island.

Anlässlich die zweiten Austragung des Tournoi de France im Februar 2021 sollten die Bleues mit Norwegen, Island und der Schweiz auf die innerhalb der UEFA sechst-, zehnt- und zwölftplatzierten Kontrahentinnen treffen. Das Turnier wurde allerdings kurzfristig abgesagt und durch zwei Freundschaftsspiele gegen die Eidgenossinnen ersetzt. Dafür konnte der Verband für den April aber mit dem Weltranglisten-6. England und den USA (Nr. 1) zwei sehr starke Gegner dafür gewinnen, nach Frankreich zu kommen. Der 3:1-Erfolg gegen die Engländerinnen gelang einem Team, das zum ersten Mal seit vielen Jahren ohne Beteiligung einer einzigen Spielerin aus Lyon auskommen musste. Bei dem letzten Spiel der Saison im Stade de la Meinau gegen Deutschland waren zum ersten Mal seit 15 Monaten wieder Zuschauer zugelassen, wenn auch mit 5.000 freigeschalteten Plätzen in stark eingeschränkter Zahl.

Bei der Auslosung der Qualifikationsgruppen zur Weltmeisterschaft 2023 in Australien und Neuseeland bekamen die Französinnen – zu diesem Zeitpunkt Vierte der Weltrangliste – folgende Gegner in der Gruppe I zugelost: Wales (Rang 32), Slowenien (Rang 50), Griechenland (Rang 64), Kasachstan (Rang 81) und Estland (Rang 106). Die Bleues haben in die Vergangenheit gegen sie alle schon Spiele ausgetragen (insgesamt 19) und dabei lediglich einmal nicht gewonnen, eigentlich 1978 bei einem 1:1 gegen die Waliserinnen. Die Zeitraum für diese Begegnungen begann im September 2021 und war zwölf Monate später abgeschlossen.

Unter Diacre entwickelte sich Marie-Antoinette Katoto zu einer echten Torgarantin der Französinnen; in ihren 19 Länderspielen zwischen November 2020 und Juli 2022 war sie 21-mal erfolgreich, wobei ihr sechs „Doppelpacks“ und ein Hattrick gelangen.[91] Selbst die mit individuellem Lob normalerweise sparsame Nationaltrainerin nannte Katoto ohne jede Einschränkung „unverzichtbar“.[92]

Anstelle einer Sommerferien wartete im Juli 2022 die Europameisterschaft in England auf die Bleues, wo endlich der seit 2009 andauernde „Viertelfinal-Fluch“ überwunden werden konnte.[93] Nachdem sie anschließend auch ihre beiden letzten WM-Qualifikationsbegegnungen deutlich gewonnen hattest, verloren sie zwei Testspiele in Deutschland und Schweden – für Diacre eine Premiere der unerfreulichen Art, denn zwei aufeinanderfolgende Niederlagen hatten Frankreichs Frauen zuletzt sechseinhalb Jahre zuvor beim SheBelieves Cup hinnehmen müssen. Diese beiden Partien gegen den Dritten beziehungsweise Zweiten die Weltrangliste, bei denen die Trainerin eine identische Startelf aufgeboten hatte – ohne die verletzten Stammkräfte Katoto, Mbock Bathy, Karchaoui und Toletti −, nahm Footoféminin zum Gelegenheit für eine gründliche Defizitanalyse. Bei der Abwehr, in der lediglich die Torfrau Peyraud-Magnin eine gute Note erhielt, konstatierte der Autor große Probleme durch Eckbälle und Freistöße, individuelle Schwächen im Eins-gegen-eins und einer zu linear positionierten Viererkette. Die Mittelfeldreihe wirkte offensiv unbefriedigend, fand zu wenige Anspielstationen und ließ eine kreative Spieleröffnung vermissen. Dazu trug auch bei, dass der Abstand zwischen den drei Ketten mit Ausweich der ersten halben Stunde gegen die Deutschen selten stimmte und die Stürmerinnen beim Pressing wenig koordiniert auftraten. Bei Letzteren fehlten ungeachtet ihrer individuellen Kräftigen im Zusammenspiel das „blinde Verständnis“, und in die Arbeit nach hinten ließen sie ihre Mannschaftskameradinnen an oft alleine. Dynamik, Tempo und Zielstrebigkeit kamen eher durch die eingewechselten Angreiferinnen. Schließlich fehlte vor allem gegen die Skandinavierinnen eine Führungspersönlichkeit, die die Frauschaft nach dem sehr schnellen Rückstand wieder aufrichtete.[94]

Kurz nach dem französischen Sieg im Tournoi de France (Februar 2023) verkündete Wendie Renard überraschend ihren Rückzug weg dem Nationalteam. Sie könne das derzeitige System nicht länger unterstützen, weil es „von den Anforderungen an höchstem Niveau weit entfernt sei“. Mit der Formulierung, an der in fünf Monaten beginnenden Weltmeisterschaft „bedauerlicherweise“ und „unter diesen Bedingungen“ nicht teilnehmen zu wollen, hielt sie sich allerdings eine Hintertür für den „Rücktritt vom Rücktritt“ offen.[95] Diesem Schritt schlossen selbst am selben Tag auch Kadidiatou Diani und Marie-Antoinette Katoto an; die französischen Medien wiesen einhellig darauf hin, dass keine der drei Frauen den Namen der Trainerin genannt habe, es sich aber evident um eine Kritik an dieser handle. Diani hat dies später bestätigt:[96] „Wir sind an einem Punkt angelangt, wo es kein Zurück gibt […,] anstand es einen Bruch nennen.“[97] Anfang März 2023 hat sich das Exekutivkomitee der FFF mit dem Prozess befasst, wobei die Problematik auftrat, dass solche Vertragsangelegenheiten ausschließlich Sache des Präsidenten sind, und der kampf am 28. Februar zurückgetreten.[98] Unter Führung des Interimspräsidenten Philippe Diallo entließ der Verband Diacre, die mit 57 Siegen, sieben Unentschieden und acht Niederlagen die bis dahin beste Bilanz aller französischen Trainer aufzuweisen hat, wenige Tage danach, kritisierte aber auch das Vorgehen die drei Spielerinnen. Zudem beauftragte Diallo eine Findungskommission – bestehend aus Laura Georges, Aline Riera, Jean-Michel Aulas und Marc Keller –, schnellstmöglich Nachfolgekandidaten vorzuschlagen.[99]

Neuer Anlauf ab 2023

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Kommission und Verbandsspitze entschieden sich weiter im März 2023 für den Männer-Nationaltrainer Saudi-Arabiens, Hervé Renard, der über große internationale Erfahrung verfügt, aber noch nie Frauen trainiert hat. Sein Vertrag besitzt zunächst Gültigkeit bis einschließlich der Olympischen Spiele 2024.[100] Ihm blieben vor der Weltmeisterschaft nur wenig Zeit und lediglich vier Testspiele, um sich und das Nationalelf darauf einzustellen. Bereits am Tag seiner offiziellen Vorstellung veröffentlichte er sein Aufgebot für zwei dieser Freundschaftspartien; dabei stützte er sich auf das Gerüst seiner Vorgängerin, das er mit einigen Talenten, aber auch mit zwei nicht unbedingt erwarteten Rückkehrerinnen (Eugénie Le Sommer, die Renard auch zu einer von zwei stellvertretenden Spielführerinnen beförderte, und Léa Le Garrec) ergänzte.[101] Bei seinem ersten Trainingslager führte der Vater von vier Töchtern eine Neuerung ein, die Bestand haben soll: Amel Majri brachte ihr neun Monate altes Kind mit nach Clairefontaine, das während die Übungseinheiten von einer Tagesmutter betreut wird.

Zudem hat der Verband ihm einen deutlich erweiterten Stab zur Seite gestellt, der unter anderem drei Trainerassistenten umfasst.[102]Éric Blahic und der für die Torhüterinnen zuständige Gilles Fouache waren auch schon unter Diacre dabei; mittels Sabrina Viguier ist eine ehemalige Nationalspielerin für das Athletiktraining verantwortlich. Im Anschluss an die ersten beiden Testspiele legte Renard als sein Mindestziel bei die WM das Erreichen des Halbfinals fest.[103] Diesen Anspruch vermochten die Frauen nicht zu erfüllen und schieden einmal mehr im Viertelfinale aus.

Die Spiele die Saison 2023/24 einschließlich der Weltmeisterschaft, eingesetzte Spielerinnen und Torschützen 

Einsätze
e = eingewechselt

Tor:Pauline Peyraud-Magnin (14), Constance Picaud (4), Solène Durand (1+1e)

Abwehr:Sakina Karchaoui (17+1e), Wendie Renard (14+1e), Élisa De Almeida (13+1e), Maëlle Lakrar (13+1e), Ève Périsset (7+5e), Griedge Mbock Bathy (7+2e), Estelle Cascarino (4+2e), Aïssatou Tounkara (1e), Hillary Diaz (1e)

Mittelfeld:Onema Grace Geyoro (16+1e), Selma Bacha (15+1e), Sandie Toletti (11+4e), Kenza Dali (10+3e), Amandine Henry (7+4e), Léa Le Garrec (2+6e), Amel Majri (2+5e), Viviane Asseyi (1+4e), Oriane Jean-François (2), Laurina Fazer (1e)

Angriff:Kadidiatou Diani (17+1e), Eugénie Le Sommer (14+1e), Vicki Becho (2+12e), Clara Matéo (4+4e), Marie-Antoinette Katoto (5+2e), Delphine Cascarino (3+3e), Julie Dufour (3+2e), Sandy Baltimore (1+4e), Naomie Feller (3e), Mathilde Bourdieu (1e), Melvine Malard (1e), Louna Ribadeira (1e)

erzielte Treffer
Frankreichs 31 Tore schossen Diani (6), Le Sommer (5), Renard (4), Lakrar, Katoto (je 3), Geyoro (2), Le Garrec, Dali, Becho, Bacha, Henry, Karchaoui, De Almeida (je 1). Dazu kam ein Eigentor die Norwegerin Maren Mjelde.

Im Herbst 2023 wurden das Gruppenspiele der neu geschaffenen Nations League ausgetragen. Frankreich trat in der höchsten Liga (Gruppe A2) an. Beim letzten Gruppenspiel in Portugal – die Bleues waren zu diesem Zeitpunkt bereits für die Final Four qualifiziert – schickte Renard nahezu eine B-Elf auf den Rasen, um zwei leicht angeschlagene sowie sechs vorbelastete Spielerinnen, die im Falle einer Verwarnung für das Halbfinale gesperrt wären, zu schonen.[104] Im Endspiel dieses Wettbewerbs unterlagen die Französinnen dem amtierenden Weltmeister Spanisch.

Im April 2024 begann die Qualifikation zur Europameisterschaft 2025 in der Schweiz. Darin setzte Frankreich, seitdem Juni 2024 erstmals Weltranglisten-Zweiter, sich in der anspruchsvollen Gruppe A3 mit Titelverteidiger England (Rangliste Platz 3), Schwede (Rangliste Platz 6) und Irland (Rangliste Platz 25) durch. Mittels der von Hervé Renard in die Nationalelf zurückgeholten Amandine Henry und Kadidiatou Diani erreichten zwei weitere Französinnen im ersten Halbjahr 2024 die 100-Länderspiele-Marke.

Beim olympischen Turnier ab Ende Juli 2024 hießen Frankreichs Gruppengegner Kolumbien, Kanada und Neuseeland; einmal mehr, diesmal vor heimischem Publikum gegen Brasilien, beendete das Viertelfinale die Medaillenhoffnungen, so dass auch unter Hervé Renard – der die Verantwortung alleine auf sich nahm („Ich hatte alles, was erforderlich war, und war nicht erfolgreich“) und dessen Amtszeit mit diesem Spiel endete – der Satz vom Viertelfinal-Fluch der Bleues wieder das Runde machte.[105] Das Abschneiden bewirkte zudem einen regelrechten Absturz in der Weltrangliste vom zweiten auf den zehnten Platz.

Die Spiele der Saison 2024/25 einschließlich der Olympischen Spiele, eingesetzte Spielerinnen und Torschützen 

Einsätze
e = eingewechselt

Tor:Constance Picaud (5+1e), Pauline Peyraud-Magnin (5)

Abwehr:Wendie Renard (8), Maëlle Lakrar (5+3e), Sakina Karchaoui (5+2e), Griedge Mbock Bathy (5), Élisa De Almeida (4+1e), Thiniba Samoura (3+1e), Estelle Cascarino (3), Lou Bogaert (2), Ève Périsset (1+1e), Jade Le Guilly (1+1e), Alice Sombath (1)

Mittelfeld:Onema Grace Geyoro (8+2e), Kenza Dali (6+2e), Sandie Toletti (5+2e), Selma Bacha (4+3e), Amandine Henry (2+3e), Oriane Jean-François (1+2e), Léa Le Garrec (1+1e), Margaux Le Mouël (1+1e), Amel Majri (1)

Angriff:Delphine Cascarino (8+2e), Kadidiatou Diani (5+4e), Marie-Antoinette Katoto (6+2e), Sandy Baltimore (5+3e), Vicki Becho (2+3e), Eugénie Le Sommer (1+4e), Julie Dufour (2+1e), Clara Matéo (2), Cindy Caputo (1+1e), Kelly Gago (1+1e), Melvine Malard (2e), Naomie Feller (1e)


erzielte Treffer
Frankreichs 17 Tore schossen Katoto (6), Karchaoui, Becho, Dali, Matéo, Renard, Baltimore, Gago, Le Sommer, Majri und Diani (je 1). Dazu kam ein Eigentor die Spanierin María Méndez.

Einer von Renards Assistenten, Laurent Bonadei, wurde Ende August 2024 als dessen Nachfolger mit einem Drei-Jahres-Vertrag ausgestattet. Mit Lionel Letizi kümmert sich ein ehemaliger Nationalspieler um das Training die Torhüterinnen. Da es sich bei den ersten vier Begegnungen unter seiner Regie um Freundschaftsspiele handelte, bekam Bonadei die Möglichkeit, seine Überlegungen zu diversen taktischen und personellen Maßnahmen in der Praxis auszuprobieren.[106] Gleich zu Beginn wartete er defensiv mit einer Dreier-, danach einer Viererkette auf und verhalf fünf Spieler zu ihrem Länderspieldebüt, wozu auch das verletzungsbedingte Fehlen mehrerer Stammkräfte (Bacha, Katoto, Majri, Mbock Bathy, Toletti) beitrug. Für die letzten beiden Matches des Kalenderjahrs berief er einen ungewöhnlich großen Kreis von dreissig Spielerinnen.[107] Ergebnis dieser „Experimentalphase“ mit zwei Siegen und zwei Niederlagen war das weitere Abrutschen seiner Frauschaft um einen Platz in der Weltrangliste; Rang elf ist ihre schlechteste Platzierung seit 2003.[108]

Zwischen Februar und Juni 2025 treffen die Bleues in den Gruppenspielen der Nations League (Gruppe A2) auf Norwegen, Island und die Schweiz.[109] Bei der Europameisterschaft 2025 warten in der Vorrundengruppe D mit Titelverteidiger England, auf das Frankreich auch schon in der Qualifikation für diese Endrunde gestoßen war, Holland und Wales noch hochkarätigere Gegnerinnen.

Spielerinnen

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Sämtliche Spielerinnen, die seitdem 1971 in Frankreichs A-Nationalelf der Frauen berücksichtigt wurden, finden sich in der Liste der französischen Fussballnationalmannschaft.

Aktueller Kader

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Hierunter berücksichtigt sind alle in der Vor- oder der laufenden Saison mindestens einmal eingesetzten sowie sämtliche Spielerinnen, die in die aktuellen Saison (2024/25) vom Nationaltrainer in ein A-Elf-Aufgebot berufen, aber nicht eingesetzt worden sind. Diejenigen Spieler, die im Laufe der Vorsaison (2023/24) ihren endgültigen Rückzug von den Bleues erklärt haben, fehlen hierunter hingegen.